Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass von Berufsreglementierungen gem. RL (EU) 2018/958

In § 13 Absatz 2 der Berufsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen wird folgende Änderungen (fett und kursiv) beabsichtigt:

Der Zahnarzt darf einen Patienten, der ihn in seiner Funktion als sachverständige Person zum Zwecke einer Begutachtung  aufsucht, vor Ablauf von 24 Monaten nach Abgabe des Gutachtens bzw. seiner sachverständigen Beurteilung nicht behandeln. Dies gilt nicht für Notfälle.

 

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Die beabsichtigten Änderungen unterliegen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 17 Absatz 4 Hessisches Heilberufsgesetz in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie (EU) 2018/958.

Kernaufgabe der Landeszahnärztekammer Hessen ist bei Streitigkeiten zwischen Berufsangehörigen und Dritten, die aus der Berufsausübung entstehen, zu schlichten und Gutachterstellen zur Prüfung von Behandlungsfehlern einzurichten (§ 5 Absatz 1 Nr. 3 Hessisches Heilberufsgesetz).

Patienten wünschen in vielen Fällen lediglich eine Einschätzung, ob empfundene Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit einer Versorgung von medizinischer Relevanz sind. Hier werden häufig Unsicherheiten und Zweifel geäußert, die in diesem Stadium ein geringes Konfliktpotential aufweisen. Im Vorfeld einer Behandlung haben Patienten das Bedürfnis, insbesondere bei großen Behandlungsumfängen eine zweite Meinung einholen zu können. Bei einer Vielzahl dieser Anfragen besteht der Wunsch, dass diese Zweitmeinung durch einen Zahnarzt erfolgen soll, der auch als Gutachter tätig ist. Patienten verbinden mit dieser Tätigkeit eine zusätzliche Qualifikation zur Beurteilung medizinischer Fragen.

Die Gutachterstelle wird auf Wunsch von Patienten im Rahmen des Zweitmeinungsmodells Zahnärzte ihrer Gutachterliste vorschlagen. Diese Zahnärzte sollen nach einer sachverständigen Einschätzung die Patienten für zwei Jahre nicht weiterbehandeln, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit ihrer Bewertung zu schützen.

 

Legitimer Zweck

Die Landeszahnärztekammer Hessen verfolgt mit den vorgenannten Änderungen der Berufsordnung einen legitimen Zweck. Mit den Änderungen des § 13 Absatz 2 der Berufsordnung wird auch das niedrigschwellige Angebot einer sachverständigen Zweitmeinung in das zeitlich begrenzte Nachbehandlungsverbot einbezogen. Ziel ist es, den Patientenschutzes zu stärken und den Vertrauensschutz in die gutachterliche Beurteilung sicherzustellen. Dabei bestehen keine anderweitigen Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, die ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Weiterhin ist auch die Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes Ziel der Änderung, da aus den sachverständigen Beurteilungen weitere, mit gesundheitlichen Risiken verbundene Folgebehandlungen folgen können.

 

Geeignetheit

Die Änderungen des § 13 Absatz 2 der Berufsordnung sind auch geeignet, den damit verfolgten Zweck zu erreichen. Durch das mit Ausnahme von Notfällen für den Gutachter für zwei Jahre bestehende Verbot zur Behandlung der beauftragenden Patienten nach Erstattung eines Gutachtens bzw. der Abgabe einer sachverständigen Beurteilung wird der Gutachter vor Vorwürfen geschützt, seine sachverständige Beurteilung von dem Hintergrund einer möglichen Weiterbehandlung des Patienten abgegeben zu haben. Der Zweck ist somit der Patientenschutz im Allgemeinen und der konkrete Vertrauensschutz in die sachverständige Unabhängigkeit und Neutralität.

 

Erforderlichkeit

Die vorgelegten Änderungen sind auch erforderlich, weil es keine milderen Maßnahmen gibt, um das niedrigschwellige Angebot einer sachverständigen Zweitmeinung unter einen vergleichbaren Vertrauensschutz wie den der (Regel-)Begutachtungen zu stellen.

 

Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)

Gegeneinander abzuwägen sind der zu erreichende Zweck sowie das in diesem Zweck enthaltene Rechtsgut mit demjenigen Rechtsgut, in das eingegriffen wird. Der Zweck ist die Sicherstellung des Patientenschutzes sowie der Vertrauensschutz in die gutachterliche Neutralität und Unabhängigkeit. Dabei sollen ausschließlich gutachterlich tätige Kammermitglieder belastet und gleichzeitig erreicht werden, damit die Qualität sachverständiger Beurteilungen durch eine unabhängige und ausschließlich an fachlichen Gründen orientierte Einschätzung letztendlich den Patienten zugutekommt. Demgegenüber steht ein Eingriff in das Rechtsgut der Berufsausübungsfreiheit, dass durch Art. 12 Grundgesetz geschützt wird.

Die Abwägung zwischen den genannten Rechtsgütern ergibt, dass der mit den Änderungen des § 13 Absatz 2 der Berufsordnung erreichte Zweck, die Neutralität und Unabhängigkeit sachverständiger Beurteilungen im Interesse der Patienten und des gesamten Berufsstandes bedeutsamer ist als der relativ moderate Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz geschützte Rechtsposition der Berufsausübung der gutachterlich tätigen Kammerangehörigen, indem für einen begrenzten Zeitraum von zwei Jahren die Behandlung durch den Gutachter mit Ausnahme von Notfällen nicht erfolgen darf.

 

Die Änderungen des § 13 Absatz 2 der Berufsordnung ist insofern verhältnismäßig im Sinne des § 17 Absatz 4 Hessisches Heilberufsgesetz in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie (EU) 2018/958.

Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass von Berufsreglementierungen gem. RL (EU) 2018/958

Es wird folgende Änderung der Ziffern 5 und 6 der Anlage 3 zur Weiterbildungsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen geplant (Änderungen fett und kursiv):

5. Theoretische Inhalte der Weiterbildung

5.1   Der Nachweis des Erwerbs der theoretischen Kenntnisse auf dem Fachgebiet des Öffentlichen Gesundheitswesens wird durch die regelmäßige Teilnahme und den erfolgreichen Abschluss mit Zeugnis an einem theoretischen Lehrgang für Zahnärzte und Zahnärztinnen des öffentlichen Gesundheitsdienstes mit mindestens 400 Unterrichtsstunden an einer Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen bzw. einer vergleichbaren Institution in Anschluss an die Zeiten der Weiterbildung geführt.

5.2. Auf die in Nr. 5.1 genannte theoretische Weiterbildung können auf Antrag bis zu 200 Stunden erfolgreich abgeschlossene Studienzeiten in Public-Health-Studiengängen oder gleichartigen Studienzeiten nach § 4 der Weiterbildungsordnung der Landeszahnärztekammer Hessen angerechnet werden.

5.3   Durch Fortbildung nachgewiesene Vertiefung von Kenntnissen über Qualitätsmanagementsysteme für zahnärztliche Praxen (z.B. ZQMS).

 

6. Praktische Inhalte der Weiterbildung

Die praktische Weiterbildung auf dem Fachgebiet des Öffentlichen Gesundheitswesens soll die erworbenen, theoretischen Kenntnisse über die Struktur, Organisation und Aufgabenstellung des Öffentlichen Gesundheitswesens vertiefen. Es sind insbesondere Erfahrungen hinsichtlich der

  • Öffentlichen Gesundheitsverwaltung (allgemeine Stellungnahmen, Stellungnahmen für andere Dienstbehörden, Bearbeitung und Beantwortung politischer Anfragen);
  • Bewertung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung auf der Grundlage von erhobenen und analysierten Daten auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde;
  • Organisation und Durchführung gruppenprophylaktischer Maßnahmen bzw. Fluoridierungsmaßnahmen;

Organisation und Durchführung von Maßnahmen der Gesundheitsförderung, der Gesundheitserziehung und der präventiven Zahngesundheitspflege (insbesondere in Form von Befunderhebung, Diagnostik und kieferorthopädischer Diagnostik) bei unterschiedlichen Alters- und Bevölkerungsgruppen (insbesondere in Kindertagesstätten, Schulen und Behinderteneinrichtungen) sowie Mitarbeit in örtlichen Institutionen bzw. Einrichtungen der Gruppenprophylaxe;

  • Ermittlung von Gesundheitsgefahren (Kindergesundheitsschutz) und deren nachgehende Maßnahmen sowie Wahrnehmung von Koordinierungsaufgaben im gesundheitlichen Interesse;
  • Beratung, Aufklärung der Bevölkerung zu allen Fragen der Zahnmedizin sowie Schulung von Multiplikatoren;
  • Koordination und Durchführung von Maßnahmen für Bevölkerungsgruppen mit besonderen Bedürfnissen (z.B. Pflegebedürftige sowie Menschen mit Fluchthintergrund);
  • Epidemiologie, Statistik und Gesundheitsberichterstattung und Gesundheitsplanung (insbesondere durch Auswertung von Mundgesundheitsdaten und deren Bewertung, Erstellung von Gesundheitsberichten bzw. Jahresberichten, Evaluation von Maßnahmen, Planung und Erstellung von Konzepten);
  • Zahnmedizinische Sachverständigen- und Gutachtertätigkeit (insbesondere aus den Bereichen der vertragszahnärztlichen Versorgung und der Gebührenordnung für Zahnärzte), sonstige amtszahnärztliche Stellungnahmen;
  • Rechts- und Verwaltungskunde;
  • Infektionshygienische Überwachung von Zahnarztpraxen nach § 36 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz;
  • Beratung zu allgemeinen Hygienefragen
  • Öffentlichkeitsarbeit

zu vermitteln.

 

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Die beabsichtigten Änderungen unterliegen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 17 Absatz 4 Hessisches Heilberufsgesetz in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie (EU) 2018/958.

Kernaufgabe der Landeszahnärztekammer Hessen ist es, die Inhalte der Weiterbildung u.a. zum Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen durch Erlass einer Weiterbildungsordnung inhaltlich auszugestalten (§ 35 Absatz 1 Hessisches Heilberufsgesetz).

 

Legitimer Zweck

Die Landeszahnärztekammer Hessen verfolgt mit den vorgenannten Änderungen der Berufsordnung einen legitimen Zweck. Mit den Änderungen der Ziffern 5 und 6 der Anlage 3 zur Weiterbildungsordnung wird die inhaltliche Ausgestaltung der theoretischen und praktischen Inhalte der Weiterbildung vorgenommen. Ziel ist es, durch die Anpassung der Weiterbildung im Öffentlichen Gesundheitswesen den Patientenschutzes zu stärken und den Vertrauensschutz in die fachzahnärztliche Qualifikation sicherzustellen. Die inhaltlichen Konkretisierungen werden aufgrund der sich in stätiger Weiterentwicklung befindlichen Aufgaben und Verpflichtungen der in den öffentlichen Verwaltungen tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzten erforderlich. Dabei bestehen keine anderweitigen Regelungen spezifischer oder allgemeiner Art, die ausreichen, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Weiterhin ist auch die Sicherstellung eines hohen Niveaus des Gesundheitsschutzes Ziel der Änderung, da die Arbeit der Fachzahnärzte im Öffentlichen Gesundheitswesen gesundheitliche Risiken insbesondere im Präventionsschutz der Bevölkerung sicherzustellen haben.

 

Geeignetheit

Die Änderungen der Ziffern 5 und 6 der Anlage 3 der Weiterbildungsordnung sind auch geeignet, den damit verfolgten Zweck zu erreichen. Es werden durch die geforderte Vertiefung von Kenntnissen über Qualitätsmanagementsysteme für zahnärztliche Praxen (z.B. ZQMS), durch das Thema der allgemeinen Stellungnahmen von Behörden und politischer Institutionen sowie durch die inhaltliche Konkretisierung von Maßnahmen des zahnmedizinischen Gesundheitsschutzes oder solchen, die aufgrund aktueller besonderer Krisen wie z.B. von Fluchtbewegungen entstehen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Bewältigung der Aufgaben der öffentlichen Gesundheitsvorsorge geschaffen. Der Zweck ist somit der Patientenschutz im Allgemeinen und der konkrete Schutz der Bevölkerung.

 

Erforderlichkeit

Die vorgelegten Änderungen sind auch erforderlich, weil es keine milderen Maßnahmen gibt, um die fachlichen Weiterbildungsinhalte zu vermitteln.

 

Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne)

Gegeneinander abzuwägen sind der zu erreichende Zweck sowie das in diesem Zweck enthaltene Rechtsgut mit demjenigen Rechtsgut, in das eingegriffen wird. Der Zweck ist die Sicherstellung des Patientenschutzes sowie Gesundheitsschutzes der Bevölkerung. Dabei sollen ausschließlich an der Weiterbildung teilnehmende Zahnärztinnen und Zahnärzte des Hessischen Gesundheitswesens belastet und gleichzeitig erreicht werden, damit die Qualität der Weiterbildung letztendlich den Patienten und der Bevölkerung zugutekommt. Demgegenüber steht ein Eingriff in das Rechtsgut der Berufsausübungsfreiheit, dass durch Art. 12 Grundgesetz geschützt wird.

Die Abwägung zwischen den genannten Rechtsgütern ergibt, dass der mit den Änderungen der Anlage 3 der Weiterbildungsordnung erreichte Zweck bedeutsamer ist als der relativ moderate Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz geschützte Rechtsposition der Berufsausübung.

 

Die Änderungen der Ziffern 5 und 6 der Anlage 3 der Weiterbildungsordnung ist insofern verhältnismäßig im Sinne des § 17 Absatz 4 Hessisches Heilberufsgesetz in Verbindung mit Art. 7 der Richtlinie (EU) 2018/958.